5.3.1.1 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer

5.3.1.1 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer


 

5.3.1.1.1 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer in Österreich 2021

Einleitung

Biologielehrenden ist es ein wohl bekanntes Szenario: Mit Klemmbrettern, Keschern und Bechern ausgestattet   wurden die Schülerinnen und Schüler an den Bach geschickt, um die Wasserlebewesen zu sammeln, diese zu bestimmen und um zum Schluss noch die biologische Gewässergüte zu ermitteln. Anhand der übersichtlichen amtlichen Gewässergütekarten mit den Kennfarben blau, grün, gelb und rot waren die Fließgewässer der Steiermark leicht in die vier Gewässergüteklassen einzuteilen. Die Berechnungen der Schülerinnen und Schüler waren mitunter eher mathematische Übungen als tatsächliche Bestimmungsübungen. Die Berechnungsblätter waren übersichtlich, das System einfach und auch für Einsteigerinnen und Einsteiger nachvollziehbar. Das Ergebnis hat in vielen Fälle auch einigermaßen gestimmt.

Mit der Einführung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) haben sich EU-weit die Beurteilungskriterien maßgeblich nicht nur verändert, sondern deutlich verkompliziert. Für Einsteigerinnen und Einsteiger ist es nahezu unmöglich geworden, selbst eine „Berechnung der Gewässergüte“ – die Beurteilung des ökologischen Zustandes in der neuen Namensgebung – durchzuführen. 

Trotz – oder gerade deshalb! – braucht es Anleitungen und Hilfestellungen, wie mit Schülerinnen und Schülern zum Thema „Ökologischer Zustand an Fließgewässern“ gearbeitet werden kann. Dies erfolgt vollkommen getrennt von jeder quantitativen Bestimmungsarbeit im Rahmen der WRRL. Die Berechnung des ökologischen Zustandes kann und soll nicht das Ziel sein. Die Kernaufgabe ist es, einfache fachliche Grundlagen zu erarbeiten, den Umgang mit Kartenwerken zu lernen, erste Tierbestimmungen durchzuführen, einfache chemische und physikalische Messwerte kennenzulernen und letztlich die Freude an der Arbeit in und mit der Natur zu wecken und zu erhalten.

Der Schulatlas Steiermark mit dem Thema „Ökologischer Zustand der Fließgewässer“ richtet sich an alle Lehrenden und Interessierten und setzt keine besonderen Vorkenntnisse in Biologie, Chemie und Physik voraus.

Der ökologische Zustand und die Funktionsfähigkeit eines Gewässers

Abb. 1: Ein intaktes Gewässer mit voller Funktionsfähigkeit; Foto: UBZ 

Der ökologische Zustand ist die Art und Weise, wie man das Funktionieren des Lebensraumes Gewässer beschreiben und beurteilen kann. Dieses Funktionieren nennt man „ökologische Funktionsfähigkeit“. Eine volle
ökologische Funktionsfähigkeit des Lebensraumes ist dann vorhanden, wenn Folgendes gilt:

  • Das natürliche Erscheinungsbild des Lebensraumes bleibt wie es ist und verändert sich nicht.
  • Kleinere Störungen verändern den Lebensraum nicht. Er schafft es, diese Störungen zu überwinden, ohne sich zu verändern.
  • Der Lebensraum ist so stark, dass viele kleinere Störungen gar nicht bemerkt werden. 

Der ökologische Zustand wird in fünf Stufen eingeteilt. Die beste Stufe ist der „sehr gute ökologische Zustand“, die schlechteste Stufe ist der „schlechte ökologische Zustand“.

Die ökologische Funktionsfähigkeit ist das Kernstück für das Funktionieren eines Gewässerlebensraumes. Damit ist die Fähigkeit gemeint, die wechselseitigen Beziehungen zwischen einem Gewässerlebensraum (und seiner unmittelbaren Umgebung) und seinen typischen Organismen aufrechtzuerhalten. Je nach natürlicher Ausprägung des Gewässertyps ist die Besiedelung unterschiedlich. Ein Wasserlebensraum steht immer in einer Wechselwirkung mit dem Umland. Er ist für den jeweiligen Gewässertyp mit heimischen, standorttypischen (autochthonen) Lebewesen besiedelt, welche stabile, fortpflanzungsfähige Bestände bilden. Es geht zusammenfassend um das Zusammenspiel der abiotischen und biotischen Faktoren im Ökosystem Gewässer, wobei die unterschiedlichen Gewässertypen in den unterschiedlichen Bioregionen zu unterscheiden sind. Diese Beschreibung und Beurteilung der ökologischen Funktionsfähigkeit ist maßgeblich, um langfristig nicht nur die Tiere und Pflanzen am und im Wasser zu schützen, sondern den gesamten Gewässerlebensraum und die Funktionsfähigkeit zu erhalten.

Der ökogische Zustand ist die Beschreibung der Qualität der Funktionsfähigkeit und der Struktur von Wasserlebensräumen, sowohl bei Oberflächengewässern als auch beim Grundwasser. Eine volle ökologische Funktionsfähigkeit des Ökosystems ist dann vorhanden, wenn es
in der Lage ist,

  • sich selbst im entsprechenden natürlichen Erscheinungsbild zu erhalten,
  • wenn es kurzfristige Beeinträchtigungen selbstständig wieder überwinden kann
  • und eine gewisse Widerstandskraft gegenüber Störungen hat.

Die Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchungen zum ökologischen Zustand geben darüber Auskunft, inwieweit die Funktionsfähigkeit und die Struktur der Gewässerlebensräume vom natürlichen, vom Menschen unbeeinflussten Zustand abweichen. Die Beurteilung erfolgt EU-weit einheitlich und folgt genauen Vorgaben.

Der ökologische Zustand wird mittels fünf Zustandsklassen eingeteilt:

– Der sehr gute ökologische Zustand

– Der gute ökologische Zustand

– Der mäßige ökologische Zustand

– Der unbefriedigende ökologische Zustand

– Der schlechte ökologische Zustand

 

Bei Oberflächengewässern ist das Ziel der „gute ökologische und gute chemische Zustand“ bis zum Jahr 2027. Dieser ist dann erreicht, wenn in einem Gewässer die Lebensgemeinschaften, die Struktur und die chemischen Inhaltsstoffe nur gering vom Menschen beeinflusst sind und wenig vom Referenzzustand abweichen. Der Referenzzustand ist jener Zustand, welcher einen vom Menschen unbeeinflussten Zustand darstellt. Berücksichtigt sind hier Fließgewässer ab einem Einzugsgebiet von 10 km2. Darüber hinaus gilt ein Verschlechterungsverbot, d. h. der Zustand der Gewässer darf nicht verschlechtert werden.

Für alle weiteren Kapitel des Schulatlas Steiermark bezieht sich der ökologische Zustand auf die Oberflächengewässer mit dem Schwerpunkt bei den Fließgewässern. Der chemische Zustand wird nicht weiter berücksichtigt.

Wasserrahmenrichtlinie und Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan

In der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist für alle Länder der Europäischen Union gemeinsam festgeschrieben, wie man mit Gewässern sorgfältig umgeht.

Im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) findet man für jedes Gewässer in Österreich einen Plan, wie dieses geschützt und ohne zusätzliche Nachteile für die Funktionsfähigkeit genutzt werden kann. Falls man im Gewässer wichtige Bereiche für die Tiere und Pflanzen verbessern muss, gibt es dafür im NGP eine genaue Vorgabe.

Den gesetzlichen Rahmen für die Bewertung der Gewässer und den Umgang mit Wasserlebensräumen gibt die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vor. Diese Richtlinie sorgt innerhalb der Europäischen Union für eine einheitliche Vorgangsweise in Bezug auf die nachhaltige und umweltverträgliche Wassernutzung. Der Schutz der Gewässer und die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer als Ökosysteme sind dabei die zentralen Aufgaben. Damit soll europaweit ein guter und vergleichbarer Standard hergestellt werden.

Der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) ist die nationale Umsetzung der Vorgaben der internationalen WRRL. Hier sind für ganz Österreich die konkreten Maßnahmen festgelegt, um die Vorgaben der WRRL zu erreichen. Im NGP ist dafür auch ein Zeitplan festgelegt. Ausgehend von den Ergebnissen der Bestandsanalyse bis zum Jahr 2007 wurden mit dem NGP 2009 erstmals Maßnahmen und Ziele festgelegt, um in den darauffolgenden sechs Jahren den ökologischen Zustand zu verbessern. Mit dem NGP 2015 wurden diese Maßnahmen und Ziele bzw. deren Wirksamkeit überprüft. Es kam zu Weiterentwicklungen und Anpassungen.  Auch mit dem NGP 2021 wurden diese Ziele und Maßnahmen fortgeführt, mit dem klaren Ziel, bis zum Jahr 2027 den guten ökologischen Zustand herzustellen. Mögliche Maßnahmen sind beispielsweise die Herstellung der Durchwanderbarkeit, die Wiederherstellung der Uferlandschaft, die Festsetzung von einer Mindestwassermenge bei Wasserentnahmen usw. Alle Maßnahmen sind für den konkreten Gewässertyp quasi maßgeschneidert.

Zeitplan des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanes Österreich (NGP Österreich)

Bis
2007: Ist-Zustandserhebung der Gewässer
2009: Erstellung des ersten NGP (NGP 2009)
2015: Erstellung des zweiten NGP (NGP 2015)
2021: Erstellung des dritten NGP 2021 (NGP 2021)
2027: Zielerreichung-> der gute ökologische Zustand für  Gewässer mit einem Einzugsgebiet von mind. 10 km2.

Ökologischer Zustand der Fließgewässer in Österreich (NGP 2021) 


Abb. 2: Bei der Ermittlung des ökologischen Zustandes ist entscheidend, inwieweit sich menschliche Eingriffe auf die Beurteilung der ökologischen Funktionsfähigkeit auswirken und wie weit sich der Referenzzustand des Gewässers vom tatsächlichen Zustand unterscheiden; Foto: UBZ

Der ökologische Zustand der Fließgewässer wird alle sechs Jahre untersucht. Bei der letzten Untersuchung im Jahr 2021 waren rund vier von zehn Fließgewässer in einem guten oder sehr guten Zustand. Diese Gewässer haben das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie schon jetzt erreicht. Die restlichen sechs von zehn Gewässer sind in einem mäßigen, unbefriedigenden oder schlechten   ökologischen Zustand. Hier gibt es vor allem Probleme mit der Hydromorphologie. Damit sind Schwierigkeiten etwa mit der Uferverbauung, mit der Wassermenge, mit Wanderhindernissen für Wassertiere usw. gemeint. Bis zum Jahr 2027 müssen auch diese Gewässer vom Menschen verbessert werden, damit sie zumindest einen guten ökologischen Zustand erreichen.

Die Gesamtlänge aller Fließgewässer in Österreich beträgt rund 100 000 km. Für die Ermittlung des ökologischen Zustandes sind jene Gewässer berücksichtigt, die ein Einzugsgebiet von mindestens 10 kmhaben. Dies sind insgesamt ca. 2 200 unterschiedliche Gerinne, Bäche und Flüsse. 

Im NGP 2021 ergibt sich bei der Ermittlung des ökologischen Zustandes bei den Fließgewässern folgendes Gesamtbild (in Prozent der Gesamtgewässerlauflänge):

Abb. 3: Anteil der fünf Zustandsklassen und der beiden Potentialklassen bei den Fließgewässern in Österreich im Jahr 2021. Die Zahlen beziehen sich auf den Prozentanteil pro Klasse in Bezug auf die Lauflänge

Hinweis: Bei der Bewertung des ökologischen Zustandes wird unterschieden zwischen natürlichen Oberflächengewässern und künstlichen oder erheblich veränderten natürlichen Gewässern. In den Karten des Schulatlas Steiermark wird auf diese Unterscheidung zur Verbesserung der Übersichtlichkeit verzichtet.

Im Vergleich zur Vergangenheit zeigt sich eine laufende Verbesserung. Im NGP 2015 hatten 39,5 % der Fließgewässer einen zumindest guten ökologischen Zustand oder ein zumindest gutes ökologisches Potential, im NGP 2009 waren es 37 %.

Bedenkt man die oft langen Generationszeiten verschiedener tierischer und pflanzlicher Lebensgemeinschaften, wird deutlich, dass alleine die Durchführung einzelner Verbesserungsmaßnahmen am Gewässer nicht sofort zur einer besseren Bewertung des ökologischen Zustandes führt.

Im Zeitraum von 2009 bis 2015 wurden beispielsweise verstärkt Wanderhindernisse in Fließgewässern entfernt und die Gewässer dem natürlichen Erscheinungsbild entsprechend morphologisch verändert. Der auf diese Weise gestaltete und neu gewonnene Lebensraum musste danach allerdings erst wieder neu besiedelt werden. Bis dies vollständig geschieht und auch entsprechend stabile, fortpflanzungsfähige Tier- und Pflanzenbestände gebildet werden, vergehen viele Jahre. Die Auswirkungen von Verbesserungen aus dieser Zeit werden also viel später messbar!

Erklärung

Die Karte zeigt den ökologischen Zustand der fließenden und stehenden Gewässer in Österreich in den fünf Zustandsklassen als Gesamtergebnis. Die Ermittlung des ökologischen Zustandes ergibt sich aus den stofflichen Belastungen sowie den hydromorphologischen Belastungen (einschließlich der biologischen Bereiche). Nicht dargestellt ist der chemische Zustand. Ziel ist die Erreichung des zumindest guten ökologischen Zustandes bis zum Jahr 2027. Dargestellt sind Gewässer ab einem Einzugsgebiet von 100 km2. Die Beurteilung des ökologischen Zustandes und des ökologischen Potentials ist zusammengefasst. 

Erklärung

5.3.1.1.2 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer in Österreich 2021 (EZG > 100 km²)

40,6 % aller (österreichischen) Fließgewässer befinden sich in einem guten (grün markiert) oder sehr guten (blau markiert) ökologischen Zustand bzw. 2,5 %  haben zumindest ein gutes ökologisches Potential.

Im Umkehrschluss ergibt sich bei ca. 57 % aller Fließgewässer ein unmittelbarer Handlungsbedarf. Diese Gewässer sind in einem mäßigen (gelb markiert), schlechten (orange markiert) oder sehr schlechten (rot markiert) ökologischen Zustand. Bis zum Jahr 2027 müssen diese den Zielzustand „guter ökologischer Zustand“ oder besser erreichen.

Die Ursachen sind in erster Linie im Bereich der Hydromorphologie zu finden. Bei rund 50 % der Gewässer besteht das Risiko, das Ziel des guten ökologischen Zustandes bis zum Jahr 2027 aufgrund hydromorphologischer Belastungen nicht zu erreichen.

Erklärung

5.3.1.1.3 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer in der Steiermark 2021 (EZG > 100 km²)

Erklärung

5.3.1.1.4 Ökologischer Zustand der Oberflächengewässer in der Steiermark 2021 (EZG > 10 km²)

Gewässer in einem sehr guten, guten oder mäßigen ökologischen Zustand

Wer den ökologischen Zustand eines Gewässers kennt, weiß auch viel über die Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf das Gewässer.

Gewässer in einem sehr guten ökologischen Zustand weisen entweder gar keine oder nur sehr wenige Störungen durch Menschen auf. Die Wasserwerte, die Lebensgemeinschaften und das Erscheinungsbild des Gewässers sind also genau so, wie sie auch ohne Menschen in der Nähe wären.

Gewässer in einem guten ökologischen Zustand zeigen eine geringe Störung durch den Menschen. Die ökologische Funktionsfähigkeit ist jedoch gesichert.

Gewässer in einem mäßigen ökologischen Zustand zeigen eine mittlere Beeinflussung durch Menschen. In diesen Gewässern gibt es Probleme entweder mit den Wasserwerten, mit der Hydromorphologie oder mit der Zusammensetzung der Wassertiere oder Wasserpflanzen. In manchen Gewässern findet man auch mehrere Probleme gleichzeitig. Hier muss der Mensch bis zum Jahr 2027 etwas verbessern!

Der ökologische Zustand ist die Beschreibung der Qualität der Funktionsfähigkeit und Struktur von Wasserlebensräumen und wird in einer fünfteiligen Skala angegeben. Die Bewertung erfolgt innerhalb des jeweiligen Gewässertyps.

Als Referenz wird der Urzustand, also der Zustand des Gewässers ohne menschliche Eingriffe verwendet.

Ein Fließgewässer in einem sehr guten ökologischen Zustand weist folgende Eigenschaften auf:

  • Es gibt keine oder nur sehr geringfügige menschlichen Veränderungen.
  • Die physikalisch chemischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten entsprechen jenen Werten, die normalerweise bei Abwesenheit von störenden Einflüssen vorhanden sind.
  • Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen ebenfalls keine oder nur sehr geringe Abweichungen an.
  • Die für den Gewässertyp spezifischen Bedingungen und Lebensgemeinschaften sind vorhanden.

Zusammengefasst heißt dies, dass Fließgewässer in einem sehr guten ökologischen Zustand dem Referenzzustand, also einem Zustand ohne menschliche Beeinflussung entsprechen. Alle einzelnen Qualitätselemente sind in einem sehr guten Zustand.

Ein Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand weist folgende Eigenschaften auf:

  • Die biologischen Qualitätskomponenten haben Werte, die auf eine geringe menschliche Beeinflussung hinweisen. Sie weichen aber nur gering von jenen Werten ab, die normalerweise bei der Abwesenheit von störenden Einflüssen vorhanden sind.

Das Ziel der WRRL ist unter anderem, dass alle Fließgewässer bis zum Jahr 2027 einen guten ökologischen Zustand haben und damit die Struktur und Funktionsfähigkeit der Gewässer nicht mehr als gering vom Menschenbeeinflusst ist.

Ein Fließgewässer in einem mäßigen ökologischen Zustand weist folgende Eigenschaften auf:

  • Die biologischen Qualitätskomponenten haben Werte, die auf eine mäßige menschliche Beeinflussung hinweisen. Sie weichen mäßig von jenen Werten ab, die normalerweise bei der Abwesenheit von störenden Einflüssen vorhanden sind.

Die Abweichungen der Werte sind deutlich größer als jene, die für einen guten ökologischen Zustand notwendig sind.

Für Gewässer, welche einen mäßigen oder noch schlechteren Zustand aufweisen, wird innerhalb des NGP ein Maßnahmenpaket entwickelt, um diese Gewässer bis zum Jahr 2027 in einen zumindest guten ökologischen Zustand zu versetzen.

Die Ermittlung des ökologischen Zustandes

Wer den ökologischen Zustand eines Gewässers berechnen möchte, muss zwei Dinge wissen:
Wie sieht die ökologische Funktionsfähigkeit an diesem Gewässer ohne Störung durch den Menschen aus, d. h. wie sieht der „Urzustand“ aus?
Wie ist die ökologische Funktionsfähigkeit tatsächlich vor Ort?
Aus dem Unterschied dieser beiden Werte ergibt sich die Berechnung des ökologischen Zustandes. Je weiter die ökologische Funktionsfähigkeit vom Urzustand abweicht, umso schlechter wird der ökologische Zustand bewertet. 

Für die Ermittlung des ökologischen Zustandes gibt es genaue Vorgaben, welche für alle Länder der Europäischen Union in den Grundlagen gleich sind. Daraus ergibt sich die Vergleichbarkeit der Daten aus den einzelnen Ländern, was natürlich vor allem bei der Gewässernutzung und dem Schutz der Gewässer wichtig ist.

Für die Fließgewässer und Seen orientiert sich die ökologische Bewertung an der Ausprägung der Lebensgemeinschaften im Gewässer. Je nachdem, welche Bedingungen tierische und pflanzliche Lebensgemeinschaften vorfinden, kommen sie in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Entscheidend dabei ist der Unterschied zwischen einem natürlichen, vom Menschen nicht oder nur äußerst gering beeinflussten Gewässer, und einem in unterschiedlichen Stufen vom Menschen beeinflussten Gewässer. Entscheidend dabei ist, ob sich die menschliche Beeinflussung des Gewässers auf die Lebensgemeinschaften tatsächlich auswirkt und in welcher Intensität.

Die Wasserrahmenrichtlinie gibt eine Einteilung in verschiedene Gewässertypen vor. Die Bewertung geschieht jeweils innerhalb dieser Typen. Ausschlaggebend sind die typspezifischen Tier- und Pflanzengemeinschaften dieser Gewässertypen. Darüber hinaus sind die Struktur der Gewässer und der chemische und physikalische Zustand wichtige Inhalte.

Im Detail erfolgt die Ermittlung des ökologischen Zustandes in einem komplizierten Berechnungsweg. Grundsätzlich werden dabei einzelne Detailbereiche in den unterschiedlichen Fachbereichen untersucht, bewertet und zu einem gemeinsamen Detailergebnis im jeweiligen Fachbereich zusammengefasst. Die gemeinsamen Detailergebnisse aus allen unterschiedlichen Fachbereichen ergeben zusammen das Gesamtergebnis. Es gilt das Prinzip: „one out – all out“, was bedeutet, dass die schlechteste Bewertung der einzelnen Qualitätselemente die gesamte Zustandsbewertung bestimmt.

Bioregionen in Österreich

In Österreich ist die Landschaft sehr differenziert. Dies macht auch die Gewässer sehr unterschiedlich – es ist sehr schwierig, einzelne Gewässer untereinander zu vergleichen! Deshalb hat man in Österreich die Landschaft in unterschiedliche Bereiche eingeteilt. Diese Bereiche nennt man „Bioregionen“. Jede Bioregion sieht anders aus. Innerhalb einer Bioregion kommen typische Tiere und Pflanzen vor. Manchmal ist es notwendig, eine Bioregion noch weiter aufzuteilen.

Die österreichische Gewässerlandschaft weist eine Vielzahl von unterschiedlichen Gewässern auf: vom alpinen Quellfluss bis zum Grabenlandbach, vom Seeabfluss bis zur grenznahen Mur – im natürlichen Zustand sind in diesen Gewässern vollkommen andere tierische und pflanzliche Lebensgemeinschaften anzutreffen. Die Vergleichbarkeit der Funktionsfähigkeit dieser Gewässerlebensräume ohne entsprechende Unterscheidung der Gewässerarten ist kaum möglich.

In der Wasserrahmenrichtlinie erfolgt deshalb die Beurteilung des ökologischen Zustandes immer in Bezug auf eine Bioregion. Eine Bioregion ist dadurch gekennzeichnet, dass in dieser eine charakteristische Besiedelung mit typischen Lebewesen (in Bezug auf deren Zusammensetzung und funktioneller Struktur) vorhanden ist. Jede Bioregion sieht daher vollkommen anders aus.

In den letzten Jahren wurde sehr viel Entwicklungsarbeit bei der Typisierung der Gewässer geleistet.

Es werden 15 Bioregionen unterschieden. Diese sind auf der Karte (Abb. 4) abgebildet.

Abb. 4: Bioregionen in Österreich.
Quelle: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hrsg.) (2000). Aquatische Ökoregionen und Fließgewässer-Bioregionen Österreichs – eine Gliederung nach geoökologischen Milieufaktoren und Makrozoobenthos-Zönosen. Wien. S. 99. 

In der Steiermark gibt es die Bioregionen:

  • unvergletscherte Zentralalpen
  • Bergrückenlandschaften und Ausläufer der Zentralalpen
  • Kalkvoralpen
  • Nördliche Kalkhochalpen
  • Östliche Flach- und Hügelländer
  • Grazer Feld und ostmurisches Grabenland

Beschreibung der Qualitätselemente

Ein Qualitätselement ist ein anderes Wort für Fachbereich oder Untersuchungsgegenstand. Bei der Ermittlung des ökologischen Zustandes gibt es den Fachbereich Biologie, den Fachbereich Wasserwerte und den Fachbereich Erscheinungsbild des Gewässers. Diese drei Fachbereiche werden ganz genau untersucht.

Qualitätselemente werden jene Fachbereiche genannt, welche bei der Ermittlung des ökologischen Zustandes untersucht werden.

In Fließgewässern gibt es folgende Qualitätselemente:

  • Biologische Qualitätselemente:
    mit der Unterteilung in Qualitätselement Fische, Qualitätselement Makrozoobenthos, Qualitätselement Phytobenthos, Qualitätselement Makrophyten
  • Qualitätselement Stoffliche Belastung (Physikalische und chemische Parameter)
  • Qualitätselement Hydromorphologie

Innerhalb der Qualitätselemente werden einzelne Detailbereiche („Qualitätskomponenten“) beurteilt.  Die Bewertung des Qualitätselementes ergibt sich aus der Summe der Bewertung der Qualitätskomponenten. Welche einzelnen Qualitätskomponenten bewertet werden, hängt von der Art und Größe der Belastung des Gewässers ab.

Bei der Bewertung „sehr guter ökologischer Zustand“ sind die Ergebnisse folgender Qualitätskomponenten berücksichtigt:

  • die biologischen Qualitätskomponenten
  • die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten
  • die hydromorphologischen Qualitätskomponenten

Bei der Bewertung „guter ökologischer Zustand“ sind die Ergebnisse folgender Qualitätskomponenten berücksichtigt:

  • die biologischen Qualitätskomponenten
  • die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten

Bei den Belastungen in der Hydromorphologie geht man davon aus, dass sich diese indirekt auf die biologischen Qualitätskomponenten auswirken. Deshalb werden sie bei der Beurteilung nicht mehr direkt berücksichtigt.

 Bei der Bewertung „mäßiger, unbefriedigender und schlechter ökologischer Zustand“ sind die Ergebnisse folgender Qualitätskomponenten berücksichtigt:

  • die biologischen Qualitätskomponenten

Ausschließlich die Bewertung der biologischen Qualitätskomponenten entscheidet über die Zuteilung zu einer Zustandsklasse, die schlechter als der gute ökologische Zustand ist.

Biologische Qualitätselemente

Im Fachbereich Biologie („biologische Qualitätselemente“) werden die Tiere und Pflanzen im Gewässer genau untersucht. Besonders wichtig dabei ist es herauszufinden, ob genau jene Tiere und Pflanzen vorkommen, welche typisch für die Bioregion und den Gewässertyp sind. Die Beurteilung des biologischen Fachbereiches ist zusammen mit der Beurteilung des chemisch-physikalischen Fachbereiches und der Beurteilung des Fachbereiches Erscheinungsbild die Grundlage der Ermittlung des ökologischen Zustandes.

Für die Beurteilung des ökologischen Zustandes in Fließgewässern werden die biologischen Qualitätselemente Fische, Makrozoobenthos, Phytobenthos und Makrophyten einzeln beurteilt und die Ergebnisse zusammengefasst. Die Bewertung erfolgt immer in Bezug auf die Unterschiede in der Lebensgemeinschaft zum Referenzzustand. Der Referenzzustand ist jener Zustand ohne oder nur mit einem sehr geringfügigen Einfluss des Menschen, also der Naturzustand.

Innerhalb der Qualitätselemente werden einzelne Faktoren genauer untersucht und für diese dann Kennwerte eingeführt. Für die Erreichung des guten ökologischen Zustandes dürfen diese Kennwerte maximal geringfügig vom Referenzwert, also dem ursprünglichen Zustand, abweichen.

Besonders wichtig für alle biologischen Qualitätselemente sind folgende Faktoren:

  • Zusammensetzung und Anzahl der Tier- und Pflanzengruppen
  • Anzahl der ganz speziellen Tiere und Pflanzen für den jeweiligen Gewässertyp
  • Anzahl der strömungsempfindlichen Tiere und Pflanzen
  • Vielfalt der Lebensgemeinschaften
  • bei Fischen: Altersstrukturen

Anhand dieser Vorgaben wurden dann für die biologischen Qualitätselemente Eingabe- und Berechnungssysteme entwickelt.

Qualitätselement Fische


Abb. 5: Die Bachforelle ist ein Leitart für viele Gewässertypen. Foto: Prietl.

Fische sind sehr gute Anzeiger für die ökologische Funktionsfähigkeit eines Gewässers. Sie leben meist mehrere Jahre, sind empfindlich gegenüber menschlichen Störungen und manche Fischarten sind sehr wählerisch bei der Auswahl ihrer Lebensumgebung. Das Ergebnis der Fischuntersuchung ist der fischökologische Zustand (FIA). Dieser ist ein Teil der Bewertung des biologischen Fachbereiches.

Fische sind sehr gute Anzeiger für die Funktionsfähigkeit des Gewässerlebensraumes. In Österreich gibt es mehr als 80 verschiedene heimische Fischarten, welche annähernd alle Fließgewässer besiedeln. Unbesiedelt bleiben in der Regel nur sehr entlegene, kleine Gebirgsbäche oder extrem belastete Gewässer, etwa Kanäle.

Kennzeichnend für Fische sind folgende Merkmale und Lebensweisen:

  • Fische haben meist eine lange Lebensdauer. Fast alle Fische leben zumindest einige Jahre lang, einige Arten werden auch mehrere Jahrzehnte alt. Daraus ergeben sich lange Fortpflanzungskreisläufe. Es dauert mehrere Jahre, bis sich bei einer Neubesiedelung ein stabiler Bestand aus Tieren aller Altersklassen gebildet hat. Über die gesamte Lebensdauer der Fische müssen passende Lebensbedingungen herrschen.
  • Einige Fischarten haben sehr hohe Ansprüche an die Gestaltung des Lebensraumes. Sie brauchen für ihre verschiedenen Lebensabschnitte unterschiedliche Strömungen und Korngrößen beim Untergrund, verschiedene Temperaturen, kleinräumige Gestaltungen durch Felsbrocken, Bäume, Wurzeln etc.
  • Fischarten wie beispielsweise die Bachforelle oder die Nase legen während der Fortpflanzungszeit weite Strecken flussaufwärts zurück und suchen dort ganz bestimmte Stellen zur Eiablage auf. Diese Stellen haben genau die richtige Korngröße, die richtige Strömung, die richtige Beschattung und die richtige Temperatur. Sie müssen für die Fische erreichbar und im Gewässer natürlich auch vorhanden sein.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass Fische sehr sensibel auf die Ausgestaltung des Lebensraumes reagieren und dies auf vergleichsweise lange Zeit. Fischlebensgemeinschaften sind deshalb gute Anzeiger für hydromorphologische Belastungen.

Für die Berechnung des fischökologischen Zustandes wurde zunächst für jedes einzelne Gewässer ein Leitbild erstellt. Dieses entspricht jenem Zustand des Fischbestandes ohne Beeinflussung durch den Menschen. Dabei berücksichtigt wurden u. a. die Bioregionen, die Fischbioregionen und die Fischregionen. Im Leitbild sind alle vorkommenden Fischarten aufgelistet. Jeder Fischart ist eine bestimmte „Wichtigkeit“ zugeordnet. Es gibt die Leitarten (rot gekennzeichnet), die Begleitarten (orange gekennzeichnet) und die seltenen Begleitarten (gelb gekennzeichnet).

In weiterer Folge wird bei einer Elektrobefischung vor Ort der tatsächlich vorhandene Fischbestand vollständig erhoben. Dabei werden die Fische gefangen und die Art, das Gewicht und die Länge bestimmt.  Diese Daten zu Artenzusammensetzung, Häufigkeit, Biomasse und Altersstruktur werden dann mit einer speziellen Verrechnungsmethode verknüpft. Das Ergebnis ist der FIA (Fisch Index Austria), welcher eine Zuordnung zu einer bestimmten Klasse des fischökologischen Zustandes erlaubt.

Der fischökologische Zustand gibt an, wie weit der tatsächliche Fischbestand von den Vorgaben des Leitbildes – also des vom Menschen nicht beeinflussten Zustandes – abweicht.  Er wird analog zum ökologischen Zustand in fünf Bewertungsstufen angegeben. Der fischökologische Zustand ist ein Teil der Gesamtbewertung der biologischen Qualitätselemente.


Abb. 6: Beispiel für die Einstufung des Fangergebnisses anhand des Leitbildes mit den Werten für die Abundanz (Häufigkeit) und die Biomasse. Die in der Befischung gefangenen Fische entsprechen in einem sehr geringen Ausmaß den Vorgaben des Leitbildes des Gewässers. Der FIA (Fisch Index Austria) beträgt hier 5. Das Qualitätselement Fische wurde an dieser Befischungsstelle mit 5 (sehr schlechter fischökologischer Zustand) bewertet. 

Qualitätselement Makrozoobenthos

Das Makrozoobenthos sind die kleinen Tiere am Gewässerboden. Einige davon brauchen ganz bestimmte Wasserwerte, Wassermengen und Gewässerstrukturen. Deshalb wird der Gewässerboden ganz besonders genau untersucht. Das Fehlen bestimmter Tiere kann Hinweise auf die Störung des Lebensraumes durch Menschen sein. Zu den tierischen Kleinlebewesen gehören u. a. die Larven von Libellen, Steinfliegenlarven und Köcherfliegenlarven sowie Kleinkrebse, Käfer, Strudelwürmer und noch viele andere. Die Beurteilung des Fachbereiches tierische Kleinlebewesen
ist ein Teil der Bewertung des Fachbereiches Biologie.

Abb. 7:
Tiere wie der Strudelwurm gehören zum Makrozoobenthos; Foto: UBZ

Benthos ist die Bezeichnung für die am Gewässerboden lebenden Tiere und Pflanzen. Makrozoobenthos sind jene Tiere am Gewässerboden, welche noch mit freiem Auge erkennbar sind. Einige dieser tierischen „Klein“lebewesen reagieren sehr sensibel auf chemisch-physikalische Belastungen, Eingriffe auf den Wasserhaushalt (z.B. durch Stauräume oder Wasserausleitungen) und Beeinträchtigungen in der Strukturvielfalt. Der Einsatz dieser Tiere als Zeigerorgansimen hat eine lange Tradition bei der Gewässergütebestimmung. Durch die WRRL wurde dieses Verfahren noch weiter ausgebaut.

Die Bewertung orientiert sich wie auch bei allen anderen Qualitätselementen an typischen Leitbildern und der Abweichung der Untersuchungsergebnisse vom Referenzzustand. Grundsätzlich werden alle tierischen Kleinlebewesen innerhalb eines vorher festgelegten, typischen Gewässerabschnittes gesammelt und bestimmt. Die Bestimmung erfolgt sehr genau anhand einer Arbeitsanleitung. Bei der Auswahl des Gewässerabschnittes ist es wichtig, alle einzelnen Kleinlebensräume, welche für diesen Gewässertyp charakteristisch sind, anteilig zu erfassen. Die Tiere werden dabei nicht nur zwischen den Steinen im Bachbett, sondern auch auf Ästen, Wurzeln etc. im Wasser gesammelt. Diese Sammelmethode nennt man „Multi-Habitat-Sampling“ (MHS).

Vor Ort wird die Tierprobe so gut wie möglich untersucht. Diese Screening-Methode ist der erste Schritt zur Tierbestimmung, wobei oft eine Nachbestimmung im Labor notwendig ist, um die gewünschte und erforderliche Qualität der Tierbestimmung zu erreichen. Es wird eine erste Abschätzung vorgenommen, ob der Gewässerabschnitt das Qualitätsziel „guter Zustand“ oder „sehr guter Zustand“ erreicht oder nicht. Danach erfolgt im Labor die detaillierte Makrozoobenthos-Methode, bei der die Tiere nach sehr genauen Vorgaben bestimmt und die Ergebnisse in mehreren Schritten verrechnet werden. 

Ausgewertet werden drei Module:

  • das Modul „Saprobie“,
  • das Modul „Allgemeine Degradation“ und das
  • Modul „Versauerung“.

Die schlechteste Einzelbewertung der drei Module ergibt die Gesamtbewertung.

Im Modul „Saprobie“ wird anhand des Saprobiensystems die Wirkung von organischer Düngung auf das Makrozoobenthos untersucht. Das Saprobiensystem ist so gestaltet, dass Zeigerorganismen eine bestimmte Fähigkeit haben, gewisse organische Belastungen abzubauen. Manche Tiere kommen mit organischer Verschmutzung besser zurecht, manche andere haben nur sehr geringe Toleranzen. Jedem Tier wird deshalb ein Indikatorwert zugewiesen. Aus der Häufigkeit der vorkommenden Tiere, dem Indikatorwert und in Zusammenhang mit der Strukturvielfalt des Gewässers wird für den Gewässerabschnitt ein Saprobienindex errechnet.

Dieses bekannte und seit Jahrzehnten bewährte Saprobiensystem wurde an die Vorgaben der WRRL angepasst. Die Ermittlung des Saprobienindex der Gewässerstrecke ist zwar annähernd gleichgeblieben, es wurden jedoch zusätzlich jedem Gewässerabschnitt je nach Höhenlage,
Einzugsgebietsgröße und Bioregion ein saprobieller Grundzustand (SGZ) zugewiesen. Dies ist der Referenzwert, mit dem der Saprobienindex der aktuell untersuchten Gewässerstrecke verglichen wird. Aus der Differenz zwischen Saprobienindex und SGZ erfolgt die Einteilung in saprobielle Zustandsklassen:

  • sehr guter Zustand:  Der Saprobienindex entspricht dem saprobiellen Grundzustand und damit dem Leitbild für diesen Gewässertyp.
  • guter Zustand: Der Saprobienindex weicht maximal 25 % vom saprobiellen Grundzustand ab.
  • mäßiger Zustand: Der Saprobienindex weicht maximal 50 % vom saprobiellen Grundzustand ab.
  • unbefriedigender Zustand: Der Saprobienindex weicht maximal 75 % vom saprobiellen Grundzustand ab.
  • schlechter Zustand: Der Saprobienindex weicht mehr als 75 % vom saprobiellen Grundzustand ab.

Im Modul“ Allgemeine Degradation“ erkennt man die Auswirkungen verschiedener Belastungen (Eingriffe in die Gewässermorphologie, Stau, Restwasser, Nutzung im Einzugsgebiet, Pestizide, hormonäquivalente Stoffe, toxische Stoffe, Feinsedimentbelastung etc.)

Das Modul „Versauerung“ wird nur in Einzelfällen verwendet.

Die Ergebnisse der Screening-Methode und der detaillierten Makrozoobenthos-Methode werden in einem Berechnungsprogramm zusammengefasst. Das Endergebnis ist die Beurteilung des Qualitätselementes Makrozoobenthos, welche für die Ermittlung der Beurteilung der biologischen Qualitätselemente herangezogen wird.

Qualitätselement Phytobenthos

Mit dem Begriff „Phytobenthos“ sind die Pflanzen gemeint, die am Gewässerboden wachsen. Diese zeigen an, ob es im Gewässer zu Verschmutzungen oder Störungen bei der Wassermenge kommt. Zum Phytobenthos gehören z.B. Kieselalgen. Die Bewertung der Pflanzen am Gewässerboden ist ein Teil der Bewertung des Fachbereiches Biologie.

Benthos ist die Bezeichnung für die am Gewässerboden lebenden Tiere und Pflanzen. Phytobenthos sind die Pflanzen am Gewässerboden, dazu gehören z.B. auch Kieselsalgen.

Phytobenthosorganismen können als Zeigerorganismen für stoffliche Belastungen und für Eingriffe in den Wasserhaushalt (z.B. Schwall, Stall, Ableitungen) verwendet werden. Beeinträchtigungen bei der Morphologie werden weniger gut angezeigt.

Beim Qualitätselement Phytobenthos werden deshalb diese Eigenschaften verwendet, um in den drei Modulen

  • „Trophie“,
  • „Saprobie“ und
  • „Referenzarten“
    die jeweiligen Abweichungen bei der Besiedlung der zu untersuchenden Gewässerstrecken zum Referenzwert zu ermitteln.

Auch hier werden die Bewertungen aus den drei Modulen so verwendet, dass das schlechteste Ergebnis der drei Module als Gesamtergebnis für das Qualitätselement Phytobenthos zählt. 

Qualitätselement Makrophyten

Unter dem Begriff „Makrophyten“ versteht man Wasserpflanzen, die mit freiem Auge bis zur Art bestimmbar sind und entweder dauernd oder zumindest ein paar Monate im Jahr unter Wasser oder auf der Wasseroberfläche treibend zu finden sind. Zu diesen Wasserpflanzen gehören die Armleuchteralgen, Moose und verschiedene Sporen- und Samenpflanzen. Wasserpflanzen zeigen besonders gut an, ob ein Gewässer überdüngt ist. Die Bewertung des Fachbereiches Makrophyten ist ein Teil der Bewertung im Fachbereich Biologie.

Wasserpflanzen eignen sich sehr gut für die Beurteilung von stofflichen Belastungen im Gewässer, wobei sie besonders gut über das Nährstoffangebot (Trophie) Auskunft geben. Darüber hinaus sind sie u. a. Zeiger für Eingriffe in das Abflussgeschehen (Stau, Verringerung der Fließgeschwindigkeit …), in die Struktur und Dynamik des Bachbettes und des Verbauungsgrades des Ufers. Auch die Vernetzung zwischen Gewässer und Umgebung („Gewässer-Umland-Verzahnung“) zeigt sich im Erscheinungsbild der Makrophytengemeinschaft.

Makrophyten haben gegenüber beispielsweise den Fischen die Eigenschaft, den Standort nicht wechseln zu können. Dadurch sind sie den Umwelteinflüssen unmittelbar ausgesetzt, ohne diesen ausweichen zu können. Noch dazu können sie durch den fixen Standort punktuelle Belastungen sehr gut widerspiegeln und deren Auswirkungen flussabwärts anzeigen. Gleich wie Fische sind die Pflanzen langlebig und damit sehr konstante Anzeiger für die Vorgänge im Gewässer.

Wie bei allen biologischen Qualitätselementen ergibt sich die Bewertung des Zustandes aus dem Vergleich der zu untersuchenden Gewässerstrecke mit dem Referenzzustand. Die untersuchten Arten in der Gewässerstrecke werden in die vier Gruppen Trophie, Gewässertyp, Geologie und Höhenlage eingeteilt. In einem Berechnungssystem ergibt sich die Zuordnung zu einer Zustandsklasse aus dem Verhältnis der Häufigkeiten der einzelnen Arten zueinander.

 

5.3.1.1.5 Biologischer Zustand der Oberflächengewässer in Bezug auf stoffliche Belastungen 2021

Beim physikalisch-chemischen Fachbereich werden physikalisch und chemisch wichtige Werte gemessen und mit dem Urzustand des Gewässers verglichen. Der Urzustand ist jener Zustand, bei dem der Mensch die ökologische Funktionsfähigkeit nicht oder nur sehr gering verändert hat. Gemessen werden die Temperatur, der Sauerstoff, der Salzgehalt, die Versauerung und die Nährstoffe. In den Karten wird dieser Fachbereich auch „stoffliche Belastung“ genannt. Die Beurteilung des chemisch-physikalischen Fachbereiches ist zusammen mit der Beurteilung des biologischen Fachbereiches und der Beurteilung des Fachbereiches Erscheinungsbild die Grundlage der Ermittlung des ökologischen Zustandes.


Abb. 8: Pflanzen als Beschattung sind wichtig für die Temperaturentwicklung im Gewässer; Foto: UBZ

Beim physikalisch-chemischen Fachbereich werden physikalisch und chemisch wichtige Werte gemessen und mit dem Urzustand des Gewässers verglichen. Der Urzustand ist jener Zustand, bei dem der Mensch die ökologische Funktionsfähigkeit nicht oder nur sehr gering verändert hat. Gemessen werden die Temperatur, der Sauerstoff, der Salzgehalt, die Versauerung und die Nährstoffe. Die Beurteilung des chemisch-physikalischen Fachbereiches ist zusammen mit der Beurteilung des biologischen Fachbereiches und der Beurteilung des Fachbereiches Erscheinungsbild die Grundlage der Ermittlung des ökologischen Zustandes.

Für alle physikalisch-chemischen Qualitätselemente wurden der Gewässertypologie entsprechend Referenzwerte bestimmt. Referenzwerte entsprechen vollständig oder nahezu vollständig jenen Werten, die bei Gewässern ohne menschliche Beeinträchtigung vorkommen.

Die physikalisch-chemischen Qualitätselemente werden für die Beurteilung des guten ökologischen Zustandes und des sehr guten ökologischen Zustandes herangezogen. Dies bedeutet, dass bei einem sehr guten ökologischen Zustand auch die chemisch-physikalischen Qualitätselemente vollständig oder nahezu vollständig dem Referenzzustand entsprechen. Bei einem guten ökologischen Zustand entsprechen die chemisch-physikalischen Qualitätselemente jenen Werten, die die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers gewährleisten.

Die physikalisch-chemischen Qualitätselemente sind:
Temperaturverhältnisse, Sauerstoffhaushalt, Salzgehalt, Versauerungszustand und Nährstoffverhältnisse.

Für die einzelnen Qualitätselemente wurden folgende Qualitätskomponenten festgelegt:

  • Qualitätskomponente Temperaturverhältnisse:
    • Temperatur
  • Qualitätskomponenten Sauerstoffhaushalt:
    • Sauerstoffsättigung
    • BSB5
    • gelöster organischer Kohlenstoff (DOC)
  • Qualitätskomponente Salzgehalt:
    • Chlorid
  • Qualitätskomponente Versauerungszustand
    • pH-Wert
  • Qualitätskomponenten Nährstoffverhältnisse:
    • Orthophosphat Phosphor
    • Nitrat-Stickstoff
    • Nitrit-Stickstoff
    • Ammonium

Für alle Parameter wurden Referenzwerte bestimmt, wobei einige davon vom Gewässertyp unabhängig (pH-Wert, Sauerstoffsättigung) sind und andere in einem Zusammenhang mit anderen Qualitätselementen zu sehen sind.

Beispielsweise steht die Temperatur in Korrelation mit den Fischregionen. Dies bedeutet, bei der Festlegung der Fischleitbilder für die einzelnen Gewässertypen wurden auch entsprechende Temperaturwerte festgelegt. Der Referenzwert für die physikalisch-chemische Qualitätskomponente ergibt sich aus diesem Wert. Bei der Beurteilung der Qualitätskomponente Temperatur wird nun ermittelt, ob die im Gewässer gemessene Temperatur dem Referenzwert entspricht bzw. wie weit diese vom Referenzwert abweicht. Für die obere Forellenregion (Epirhithral) in der Bioregion „Unvergletscherte Zentralalpen“ ist der Referenzwert für die Temperatur mit 15 °C festgelegt. Für die Einstufung in den sehr guten Zustand muss die im Gewässerabschnitt gemessene Temperatur genau dem Referenzwert, ohne Abweichung, entsprechen, also 15 °C. Für die Einstufung in den guten Zustand – und zur Gewährleistung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers – ist der Referenzwert 20 °C mit einer Abweichung von maximal 1,5 °C. 

Erklärung

Die Karte zeigt das Teilergebnis der stofflichen Belastung der Fließgewässer und Seen in der Steiermark. Dargestellt die die Gewässer mit einem Einzugsgebiet von mindestens 100 km².  Rund 80 % der Gewässer entsprechen den Zustandsklassen sehr gut bis gut. In den restlichen 20 % der Gewässer wurden stoffliche Belastungen festgestellt. Vor allem in die Fließgewässer im Oststeirischen Riedelland, der Pölsbach und der Stainzbach sind in einem nur mäßigen Zustand. Einen unbefriedigenden Zustand weist der … auf. Die Ursachen für diese Belastung sind vorwiegend im Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft zu suchen.

 

5.3.1.1.6 Strukturelle Veränderungen (Morphologie) der Fließgewässer 2021 – Gesamtbewertung

Hydromorphologisches Qualitätselement

Das Erscheinungsbild eines Gewässers wird als „Hydromorphologie“ bezeichnet. In diesem Fachbereich werden die Strömung, die Durchwanderbarkeit, das Ufer und die Sohle sehr genau untersucht. Besonders wichtig sind, welche natürlichen Strukturen vorhanden sind und wie sich das Wasser im Fluss bewegt. Die Beurteilung des Fachbereiches „Erscheinungsbild“ ist zusammen mit der Beurteilung des chemisch-physikalischen Fachbereiches und der
Beurteilung des Fachbereiches Biologie die Grundlage der Ermittlung des ökologischen Zustandes.


Abb. 9: Natürliche Strukturelemente
wie hier ein Wurzelstock bereichern prägen das Erscheinungsbild eines Gewässers; Foto: UBZ

Die Beschreibung der Gewässerstrukturen und das allgemeine Abflussverhalten sind bei der Beurteilung der Hydromorphologie besonders wichtig.

Bei der Ermittlung des ökologischen Zustandes spielt das Qualitätselement Hydromorphologie eine besondere Rolle. Zusammen mit dem Qualitätselement Biologie und dem chemisch-physikalischen Qualitätselement bildet es die Gesamtbewertung des ökologischen Zustandes. Ähnlich wie bei den anderen genannten Qualitätselementen wird auch hier gewässertypisch, von einem Referenzwert ausgehend, die Beeinflussung der aquatischen Lebensgemeinschaften durch menschliche Eingriffe beurteilt. Allerdings erfolgt die Bewertung des Qualitätselementes Hydromorphologie nicht in fünf Zustandsklassen, sondern auf Basis der Einstufung in „sehr guter Zustand“ oder schlechter. Dies bedeutet, dass ein Gewässer mit der Gesamtbeurteilung „sehr guter ökologischer Zustand“ in allen drei Einzelbeurteilungen (chemisch-physikalisches Qualitätselement, biologisches Qualitätselement und hydromorphologisches Qualitätselement) eine sehr gute Bewertung hat.

Bei einer Gesamtbeurteilung „guter ökologischer Zustand“ wird die Hydromorphologie nicht als Einzelbewertung erfasst, sondern fließt in die Beurteilung der biologischen Qualitätselemente ein. Man geht hier davon aus, dass sich hydromorphologische Beeinträchtigungen auf die Wasserlebensgemeinschaften indirekt auswirken und sich auch in der Beurteilung der biologischen Qualitätskomponenten widerspiegeln Die Einstufung der Hydromorphologie in den zumindest guten Zustand ist für die Erreichung der Zielvorgaben der WRRL bis zum Jahr 2027 wichtig, damit auch tatsächlich intakte Gewässerstrukturen und möglichst natürliche Abflussverhältnisse geschaffen werden.

Zur Beurteilung der hydromorphologischen Verhältnisse – und damit der Beurteilung, ob ein Gewässer zum sehr guten Zustand zu zählen ist oder nicht – werden für Gewässerabschnitte von jeweils 500 m folgende Parametergruppen herangezogen:

  • der Wasserhaushalt,
  • die Durchgängigkeit und
  • die Morphologie.

Innerhalb dieser drei Gruppen gibt es zusätzliche Unterteilungen.

Bei der Parametergruppe „Wasserhaushalt“ (Hydrologie) werden die Menge und Unterschiede der Strömung und der damit verbundene Zusammenhang mit dem Grundwasser untersucht. Die einzelnen Parameter sind: Restwasserstrecken, Schwallstrecken und Stauhaltungen.

Die Parametergruppe „Durchgängigkeit des Flusses“ beschäftigt sich mit der flussaufwärts und flussabwärts gerichteten Wandertätigkeit der Wasserorganismen und mit der Möglichkeit des Sedimenttransportes.

In der Parametergruppe „Morphologie“ werden die Laufentwicklung, die unterschiedliche Breite und Tiefe des Gewässers, die Strömungsgeschwindigkeiten, das Substrat sowie die Verhältnisse der Uferbereiche beurteilt. Im Wesentlichen konzentriert sich die Morphologie auf die Bereiche Uferdynamik und Sohldynamik. Hier ist eine Zuordnung in die fünf Zustandsklassen vorgesehen, da dies über
die Zuordnung gemäß der WRRL hinausgehend wichtige Informationen für Belastungsanalysen sind. 

Erklärung

Die Ergebnisse der Parametergruppe Morphologie werden in fünf Zustandsklassen dargestellt. Für die Einstufung der Ergebnisse des Qualitätselementes Hydromorphologie ist diese genaue Zuordnung nicht notwendig, da nur zwischen einem „sehr guten hydromorphologischen Zustand“ oder
„schlechter“ unterschieden wird. Allerdings ergeben sich aus dieser differenzierten Betrachtungsweise wichtige Hinweise für morphologische Belastungen. Das Wissen um punktuelle und auch großflächige Beeinträchtigungen der Sohle und des Ufers macht es einfacher, Renaturierungsmaßnahmen zu setzen. 

Erklärung

5.3.1.1.7 Strukturelle Veränderungen (Morphologie) der Fließgewässer 2021 – Sohldynamik

Die Karte zeigt im Detail, wo es Veränderungen der Sohle gibt. Auffallend sind die Sohlveränderungen über sehr lange Strecken z.B. in der Mur zwischen Bruck an der Mur und der Staatsgrenze, während die Mur im Oberlauf sowie viele andere Fließgewässer in unterschiedlicher Größe keine und wenig Veränderungen zeigen.

Erklärung

5.3.1.1.8 Strukturelle Veränderung (Morphologie) der Fließgewässer 2021 – Uferdynamik

Die Veränderungen des Ufers betreffend sehr viele mittlere und große Gewässer der Steiermark. Die Mur ist bis auf wenige Ausnahmen durchgehend an den Ufern verändert. Kleine Gewässer zeigen ehr einen natürlichen Uferverlauf. Starke und sehr starke Veränderungen über lange Strecken sind allerdings selten. 


Quelle und Bearbeiter

Quellenverzeichnis

Autorinnen und Autoren