4.5.1 Eine kulturlandschaftliche Gliederung der Steiermark

4.5.1 Eine kulturlandschaftliche Gliederung der Steiermark

Einleitung

Bei Kulturlandschaften handelt es sich um Landschaften, die durch die menschliche Nutzung geprägt werden. Zur Abgrenzung wurden einerseits Kriterien herangezogen, welche die Landschaft kennzeichnen (wie Architektur oder Siedlungsformen), andererseits fließen aber auch sozioökonomische Grundlagen  in die Auswertung ein.

 

Didaktik

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Erklärung

Kulturlandschaftsgliederung

Die in der Karte ausgewiesenen räumlichen Einheiten zeichnen sich durch jeweils eigenständige Züge in der historischen Entwicklung und der gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur aus. Sichtbar wird dies in bestimmten persistenten Elementen der Landschaft wie etwa der traditionellen Architektur („Hauslandschaft“), den Siedlungs- und Flurformen oder der Landnutzung. Diese waren methodisch auch das erste Kriterium für die Ausgliederung der einzelnen Kulturlandschaften, deren endgültige Begrenzung (gemeindescharfe Zuordnung!) in einem zweiten Schritt auf der Basis sozioökonomischer Daten erfolgte. Es waren dies Bevölkerungsdichte, Entwicklung der Einwohnerzahlen, Pendlersaldo, Beschäftigte nach Wirtschaftssektoren, Flächennutzung und Zahl der Fremdenübernachtungen pro Einwohner.

Bäume, Weingärten und Hügel im Südsteirischen Weinland. (Foto: M. Lieb)

Die insgesamt 34 Teilgebiete wurden nach Möglichkeit mit ortsüblichen, sonst mit in der geografischen Fachliteratur gebräuchlichen Namen belegt. Eine Überlagerung mit den traditionellen Begriffen Ober- und Mittelsteiermark ist möglich, ebenso wie die Verwendung des Überbegriffes „Mur-Mürz-Furche“ für die obersteirischen Kulturlandschaften „Mürztal“, „Obersteirischer Zentralraum“ und „Judenburg-Knittelfelder Becken“. Zu achten ist auf vereinzelte Namensgleichheiten mit den methodisch und inhaltlich völlig andersartigen Gebieten der Naturlandschaftsgliederung!

Die Teilgebiete können 13 Kulturlandschaftstypen zugeordnet werden, die nach den darin das Gesamterscheinungsbild der Kulturlandschaft besonders charakteristisch prägenden Wirtschaftssektoren in vier Hauptgruppen zusammengefasst werden können. In der Tabelle sind die hierfür wichtigsten Indikatoren für die gesamte Steiermark denen von Österreich gegenüber gestellt.

Abb. 1: Einige für die Kulturlandschaftszuordnung relevante sozioökonomische Kenngrößen der Steiermark im Vergleich mit Österreich 1998 (nach JÜLG 2001)

Blick vom Zirbitzkogel auf die Kulturlandschaft des Obdacher Lands. (Foto: M. Lieb)

Grazer Zentralraum mit Graz im Hintergrund, aufgenommen in Grambach. (Foto: M. Lieb)

Blick vom Stuhleck auf Teile der Kulturlandschaft des Mürztals. (Foto: M. Lieb)


Quelle und Bearbeiter

Quellenverzeichnis

Kartengrundlage:
Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachstelle GIS

Lehrplan Volksschule, Sachunterricht:
https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_vs_7_su_14051.pdf?61ec03

Lehrplan Geographie und Wirtschaftskunde, AHS Unterstufe/NMS:
https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/ahs9_784.pdf?61ebyf

Lehrplan Geographie und Wirtschaftskunde, AHS Oberstufe:
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008568

Lehrpläne BHS (HLW und Tourismusschulen, HAK, HTL, BAfEP):
https://www.abc.berufsbildendeschulen.at/downloads/?kategorie=24

Lehrplan Biologie und Umweltkunde, AHS Unterstufe/NMS:
https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/ahs5_779.pdf?61ebyf

Autorinnen und Autoren

Text:
Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Gerhard Karl Lieb (2004)

Kartengestaltung:
Mag.a Edeltraud Pirker (2004, 2019)

Arbeitsmaterialien:
Ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Gerhard Karl Lieb, Mag.a Dr.in Ute Hulatsch-Pietsch

Lehrplanbezüge:
Mag. Michael Lieb

Mögliche Lernziele:
Mag. Michael Lieb

Web-Bearbeitung:
Mag.a Edeltraud Pirker (2019)

Redaktionelle Bearbeitung:
Nora Schopper BA MSc


Didaktik

Die Vermittlung vertiefender Kenntnisse und Einsichten über menschliches Leben und Wirtschaften in Österreich, Europa und auf der Erde, unter Berücksichtigung von natürlicher und gestalteter Umwelt, ist eine wichtige Zielsetzung in den Schulstufen der Sekundarstufe I. Für bestimmte Informationsebenen wie zur Planung von Exkursionen oder fächerübergreifenden Projekten eignet sich dieses Unterrichtsmaterial auch schon in  der 4. Schulstufe und in der Sekundarstufe II.

Die formulierten Lehrplanbezüge versuchen das jeweilige Thema mit verschiedenen Lehrplaninhalten bzw. Lehrplanforderungen zu verknüpfen. Die möglichen Lernziele, welche mittels des Themas des Schulatlas erreicht werden sollen bzw. können, orientieren sich an den in den Lehrplänen enthaltenen Lerninhalten bzw. -zielen.  Wichtig ist dabei zu beachten, dass die alleinige Bearbeitung der Themen und Arbeitsmaterialien des Schulatlas Steiermark die Erreichung der Lernziele nicht garantieren kann. Eine Einbettung dieser in eine umfassendere, sinnvolle sowie zielorientierte Unterrichtsvorbereitung ist dafür notwendig.

Lehrplanbezüge und Lernziele für die „Grundstufe“ sind immer auf den Sachunterricht ausgelegt. Jene der „Sekundarstufe I“ und „Sekundarstufe II“ beziehen sich auf den aktuell gültigen AHS-Lehrplan, wobei erstgenanntes auch die MS umfasst. Bei Lehrplanbezügen und Lernzielen der BHS-Schulformen, sofern nichts zusätzlich in Klammer angemerkt ist, sind folgende Fächer gemeint: HLW und Tourismusschulen =  Globalwirtschaft, Wirtschaftsgeografie und Volkswirtschaft; HAK = Geografie (Wirtschaftsgeografie); HTL= Geografie, Geschichte und Politische Bildung; BAfEP = Geografie und Wirtschaftskunde. Nach den formulierten Lernzielen ist in Klammer der Bezug zum jeweiligen Lehrplan und Unterrichtsfach sowie der jeweilige Anforderungsbereich (AFB I, II, III) angegeben.

Lehrplanforderungen Grundstufe II

Erfahrungs- und Lernbereich Gemeinschaft:
Die Vielfalt des Zusammenlebens in Gemeinschaften außerhalb der Schule kennen lernen und mitgestalten.
Über örtliches Brauchtum sprechen (z.B. Wohnort, Urlaubsregion).

Verständnis für kulturelle Vielfalt entwickeln.
Sprachliche und kulturelle Vielfalt wahrnehmen.
Unterschiedliche Lebensweisen, Traditionen und Wertorientierungen respektieren.

Erfahrungs- und Lernbereich Raum:
Räume erschließen, dabei grundlegende geographische Einsichten und Informationen gewinnen.
Kenntnisse über wichtige Bauwerke, Sehenswürdigkeiten, regionalen Besonderheiten etc. des Wohnortes/des Wohnbezirkes erwerben.

  • Übersichten über die Lage einzelner Landschaften erarbeiten (Orte, Flüsse, Gebirge, Verkehrswege) und dabei Verständnis für Zusammenhänge anbahnen (z.B. Landschaft, Siedlung, Wirtschaft).
  • Das Beziehungs- und Wirkungsgefüge von Mensch und Landschaft an einem Beispiel (zentrale Lage – Verkehrsknoten – Industrie, schöne Landschaft – Fremdenverkehrszentrum) verstehen lernen.
  • Übersicht über das eigene Bundesland gewinnen (beispielhaft über Verkehrswege, politische Bezirke, Wirtschaft und Kultur sprechen).

Erfahrungs- und Lernbereich Zeit:
Durch ausgewählte Bilder und andere Quellen aus der Geschichte und Kultur der Heimat einen ersten historischen Überblick gewinnen.
Die Vergangenheit des Wohnortes an einigen anschaulichen Beispielen erschließen, erste Kenntnisse aus der frühen lokalen und regionalen Geschichte gewinnen.

  • Vergangenes (z.B. im Bundesland, in Österreich, in Europa) an einfachen Beispielen historischer Zeitbilder kennen lernen, einige zeitlich einordnen (z.B. Anlegen eines Zeitstreifens) und gegebenenfalls eine Beziehung zur Gegenwart herstellen.
  • Beispiele aus dem Kulturschaffen des Landes kennen lernen.

Lehrplanforderungen Sekundarstufe I – Geographie und Wirtschaftskunde

1. Klasse:
Wie Menschen in unterschiedlichen Gebieten der Erde leben und wirtschaften:

  • Erkennen, dass sich Menschen in ihren Lebens- und Konsumgewohnheiten auf regionale und kulturelle Voraussetzungen einstellen und dass die Lebensweise einem Wandel unterliegt.
  • Erkennen, wie einfache Wirtschaftsformen von Natur- und Gesellschaftsbedingungen beeinflusst werden und erfassen, dass Menschen unterschiedliche, sich verändernde Techniken und Produktionsweisen anwenden.

Ein erster Überblick:

  • Regionale bzw. zonale Einordnung der im Unterricht durchgenommenen Beispiele.

2. Klasse:
Gütererzeugung in gewerblichen und industriellen Betrieben:

  • Erfassen der Auswirkungen von Betrieben und Produktionsprozessen auf die Umwelt.
  • Verstehen, dass verschiedene Tätigkeiten in der Wirtschaft unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen.

Der Dienstleistungsbereich:

  • Erkennen der Vielfalt des Dienstleistungsbereichs sowie Verständnis für seine zunehmende Bedeutung im Wirtschaftsleben.

3. Klasse:
Lebensraum Österreich:

  • Anhand von unterschiedlichen Karten, Luft- und Satellitenbildern die Eigenart österreichischer Landschaften erfassen.

Gestaltung des Lebensraums durch die Menschen:

  • Erfassen der Zusammenhänge von Wirtschaftsweise und Landnutzung.

4. Klasse:
Gemeinsames Europa – vielfältiges Europa:

  • Die Vielfalt Europas – Landschaft, Kultur, Bevölkerung und Wirtschaft – erfassen.
  • Informationen über ausgewählte Regionen und Staaten gezielt sammeln und strukturiert auswerten.

Lehrplanforderungen Sekundarstufe II – Geographie und Wirtschaftskunde

5. Klasse (1. und 2. Semester): 
Die soziale, ökonomisch und ökologisch begrenzte Welt.
Gliederungsprinzipien der Erde nach unterschiedlichen Sichtweisen reflektieren.

  • Gliederungsmöglichkeiten der Erde nach naturräumlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Merkmalen analysieren.

7. Klasse (5. Semester):
Kompetenzmodul 5:
Österreich – Raum – Gesellschaft – Wirtschaft.
Wirtschaftsstandort Österreich beurteilen.

  • Vor- und Nachteile des Wirtschaftsstandortes Österreich aus unterschiedlicher Sicht erarbeiten und mit anderen Staaten vergleichen.
  • Entstehung regionaler Disparitäten analysieren.
  • Auswirkungen regionaler Disparitäten auf das Alltagsleben und die Wirtschaft erläutern.

8. Klasse (7. Semester):
Kompetenzmodul 7:
Lokal – regional – global.
Vernetzungen – Wahrnehmungen – Konflikte.
Politische Gestaltung von Räumen untersuchen.

  • Ziele, Gestaltungsspielräume und Auswirkungen der Raumordnung erklären.
  • Konstruktionen von Räumen und raumbezogenen Identitäten untersuchen.

Lehrplanforderungen BHS

HAK:
II. Jahrgang (4. Semester):
Wirtschafts- und Lebensraum Österreich:

  • Naturräumliche Nutzungspotenziale, demografische Strukturen, Wirtschaftsstandort, Infrastruktur und Raumplanung, Energie- und Verkehrspolitik, Tourismus, sozioökonomische Disparitäten.

HLW und Tourismusschulen:
V. Jahrgang (10. Semester):
Kompetenzmodul 9:
Österreich:

  • Naturräumliche Voraussetzungen und Nutzungen.
  • Bevölkerungsentwicklung, Migration, Arbeitsmarkt.
  • Wirtschaftsregionen und Wirtschaftssektoren (Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen, Tourismus, Energie, Verkehr).
  • Raumordnung und Raumplanung.

BAfEP:
I. Jahrgang (1. und 2. Semester):
Bereich „Naturräume“:

  • Landschaftsökologische Zonen, wirtschaftliche Nutzung.

IV. Jahrgang (7. Semester):
Kompetenzmodul 7:
Bereich „Ökonomie“:

  • Europa: Entwicklungen, ausgewählte Wirtschaftssektoren und -regionen, regionale Disparitäten, Binnenmarkt, Währungsunion, Grundfreiheiten.

Die Schülerinnen und Schüler können…

  • beispielhaft über den Zusammenhang von Wirtschaft und Kultur in der Steiermark sprechen. (Grundstufe II)
  • Beispiele, die für die Kulturschöpfung des Landes Steiermark maßgebend waren, nennen. (Grundstufe II / AFB I).
  • die Wechselwirkung zwischen Menschen mit ihren Lebens- und Konsumgewohnheiten und regionalen und kulturellen Voraussetzungen beispielhaft beschreiben. (Sekundarstufe I – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB I)
  • die einzelnen Kulturlandschaften der Steiermark nennen und ihre Auswirkungen auf Natur bzw. Landschaft und Mensch erörtern. (Sekundarstufe I – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB III)
  • Gründe für die steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors im Laufe der letzten Jahre nennen. (Sekundarstufe I – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB I)
  • Gliederungsmöglichkeiten der Erde nach naturräumlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Merkmalen exemplarisch anhand der Steiermark analysieren. (Sekundarstufe II – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB II)
  • Entstehung regionaler Disparitäten sowie ihre Auswirkungen auf das Alltagsleben und die Wirtschaft analysieren. (Sekundarstufe II – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB II)
  • Konstruktionen von Räumen und raumbezogenen Identitäten in Verbindung mit kulturlandschaftlicher Gliederung untersuchen. (Sekundarstufe II – Geographie und Wirtschaftskunde / AFB II)
  • sozioökonomische Disparitäten beispielhaft mit Bezugnahme auf steirische Kulturlandschaften erklären. (HAK / AFB II)
  • die Bedeutung der wirtschaftlichen Tätigkeit für die Identitätsstiftung einer Region erörtern. (HLW und Tourismusschulen / AFB III)
  • Nutzungen und Gefährdungen natürlicher Lebensräume durch den Menschen analysieren. (BAfEP / AFB II)
  • regionale Disparitäten in Europa und ihre Folgen exemplarisch anhand der steirischen Kulturlandschaften analysieren. (BAfEP / AFB II)

Die Kulturlandschaft rückt in jüngerer Zeit immer stärker nicht nur in das Zentrum wissenschaftlichen, sondern auch öffentlichen Interesses – es genügt dabei wohl, an die wichtige Dauerdiskussion um die Finanzierbarkeit der Erhaltung bäuerlicher Kulturlandschaft (als Grundlage etwa des Fremdenverkehrs) vor dem Horizont der EU-Agrarpolitik zu erinnern. Da die Umwelt in ihrer räumlichen Dimension – nicht nur in Mitteleuropa, sondern in den meisten Gebieten der Erde – eine Kulturlandschaft mit nur mehr kleinen Resten naturnaher Landschaft darstellt, bedeutet die Beschäftigung mit „Umwelt“ in den allermeisten Fällen die Beschäftigung mit Kulturlandschaft.

Diese Erkenntnis muss sicherlich in die Gedankenwelt von Schülerinnen und Schülern eindringen, wenn sie dazu angeleitet werden sollen, ihr persönliches und soziales Verhalten umweltgerecht zu gestalten bzw. sich für die „Umwelt“ einzusetzen. Ein Engagement für eine „Rückkehr zur Natur“ im engeren Wortsinn wäre in einer über Jahrhunderte geschaffenen Kulturlandschaft sicher nicht erstrebenswert. Stattdessen kann die Beschäftigung mit dem gegenständlichen Thema das Bewusstsein dafür schärfen, dass Kulturlandschaftspflege in einem sehr weiten, über die agrarische Kulturlandschaft hinausgehenden Sinn einen unverzichtbaren Bestandteil eines ganzheitlichen Umweltschutzes darstellt.